Leihroller und Bikesharing: So sind Sie versichert
E-Scooter, E-Mopeds und Leihfahrräder sind inzwischen omnipräsent in deutschen Innenstädten. Egal ob für Sightseeing an der frischen Luft oder die letzte Meile von der Bahnstation nach Hause: Leihroller und Bikesharing ist für viele die beste Lösung für spontane Unternehmungen.
Trotzdem hat kein Verkehrsmittel so viel Debatten ausgelöst wie Elektro-Scooter: Unfälle mit alkoholisierten Roller-Fahrern und Auto-Schäden durch umfallende Leihfahrräder haben am Image der bunten Flitzer gekratzt. Über 1.000 Unfälle und mehrere Todesfälle zählt die Statistik für Elektroroller im Jahr 2020.
Höchste Zeit sich zu informieren, wie Sie als Nutzer der Leihsysteme bei Unfällen und Schäden versichert sind.
Leihroller, Bikesharing, Pedelecs: Jede Fahrzeugklasse ist unterschiedlich versichert
Um es gleich vorweg zu nehmen: Zwar haben alle Fahrzeuge in diesem Artikel zwei Räder, aber aus rechtlicher Sicht werden die Fahrzeugklassen unterschiedlich bewertet. Für manche Verkehrsmittel schreibt der Gesetzgeber eine Mindestversicherung vor, bei anderen überlässt er das Risiko den Nutzern. Wir haben bei den großen Anbietern für Shared Mobility ins Kleingedruckte geschaut und die Versicherung der Leihsysteme verglichen.
Elektro-Roller / E-Scooter (bis 20 km/h)
Lime, Voi, Circ, oder TIER: Nutzer haben in vielen Städten die Auswahl zwischen mehreren Anbietern. Eines haben die Scooter aller Anbieter gemeinsam: Die E-Roller müssen laut Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung (ekFV) eine Haftpflichtversicherung haben, um am Straßenverkehr teilnehmen zu dürfen. Dies gilt sowohl für die kleinen E-Roller (bis 20 km/h) als auch für die größeren E-Mofas (bis 50 km/h), wie sie etwa TIER und Emmy anbieten
Alle Anbieter haben daher entsprechende Haftpflichtversicherungen abgeschlossen, die Sie als Nutzer automatisch während der Mietzeit abdecken. Die Verleiher Lime und Bird kooperieren mit der HUK-Coburg, bei Tier übernimmt das europaweit die Axa, und bei Circ ist es die Signal Iduna. Die Haftpflichtversicherung zahlt für Schäden, die Sie als Rollerfahrer anderen Menschen oder Gegenständen zufügen.
Die Haftpflichtversicherung der Leihsystem-Anbieter zahlt nur für Sach- und Personenschäden, die Sie anderen zufügen. Nicht abgedeckt sind Schäden an Ihrem eigenen Mietroller: Keines der E-Scooter Leihsysteme in Deutschland bietet eine Kasko-Versicherung an, die auch die Reparatur oder den Austausch des geliehenen Rollers abdeckt. Die Anbieter weisen die Kosten für einen Roller-Totalschaden in ihren Preislisten aus, sie liegen beispielsweise beim Anbieter TIER bei 1.500 €; Lime verlangt 1.340 €.
Ebenfalls nicht versichert sind die eigenen langfristigen gesundheitlichen Schäden infolge eines selbstverschuldeten Unfalls: Muss etwa ein Finger amputiert werden, so übernimmt Ihre Krankenkasse lediglich die medizinische Behandlung, aber keine weiteren Zahlungen. Eine private Unfallversicherung könnte in diesem Fall mehrere Zehntausend Euro auszahlen.
Als einziger Leihroller-Anbieter inkludiert Lime eine Unfallversicherung für Körperverletzungen der Kunden infolge von Unfällen. Die maximale Deckungssumme von 50.000 € ist zwar mager bemessen, aber für Verunfallte sicher besser als nichts.
Der Fahrerschutz versichert Nutzer bei Körperverletzungen, die während der Fahrt mit einem Fahrzeug von Lime verursacht wurden. Die Versicherung greift auch, wenn dies auf den eigenen Fehler des Fahrers und nicht auf die Schuld von Lime zurückzuführen ist.
Versicherungsbedingungen des Anbieters Lime
Übrigens: Die Haftungssituation bei parkenden Rollern ist bisher nicht abschließend geklärt: Kommt es zu Unfällen, etwa weil ein Fußgänger über einen umgefallenen E-Scooter stolpert, so hilft vorerst nur der Rechtsweg mit unklarem Ausgang, wie der Fall eines Verunfallten in Bremen zeigt. Weder der Leihroller-Anbieter Voi noch dessen Haftpflichtversicherung sahen sich hier zur Zahlung eines Schmerzensgeldes verpflichtet.
E-Mofas (bis 50 km/h)
Seit einiger Zeit machen E-Mofas zum Ausleihen der klassischen Vespa Konkurrenz, etwa von den Anbietern Emmy und TIER. Für die Versicherung gelten die gleichen Regeln wie für die kleineren E-Scooter: Sie müssen über die Anbieter haftpflichtversichert sein. Eine Kaskoversicherung, die Schäden am Roller selbst abdeckt, ist aber nicht vorgeschrieben.
Wir haben uns die Versicherungsbedingungen von Emmy und TIER angeschaut: Besser stehen Kunden beim Anbieter Emmy, der alle seine Roller mit einer Vollkasko-Versicherung ausstattet; lediglich eine Selbstbeteiligung von 350 € wird bei Schäden fällig. Der Konkurrent TIER verzichtet auf eine Kaskoversicherung. Hier müssen Kunden Unfallschäden bis zu 1.500 € selbst zahlen.
Bikesharing und Pedelecs (bis 25 km/h)
Für Fahrräder ist keine Versicherung gesetzlich vorgeschrieben: Wer beim fahren selbst verunglückt oder andere schädigt, muss die Kosten selbst tragen. Pedelecs gelten unter bestimmten Bedingungen als Fahrräder, wenn die Motoren bis maximal 25 km/h beschleunigen. Solche Pedelecs bietet in Deutschland beispielsweise Uber/Lime mit seiner Marke JUMP an.
Das Beispiel zeigt, dass insbesondere die Privathaftpflichtversicherung für Bikesharing-Kunden eine wichtige Absicherung ist. Sie hätte die Kosten für die geschädigten Personen und Gegenstände übernommen. Ausgenommen sind die Schäden am Leihfahrrad: Viele Haftpflichtversicherungen schließen Schäden an geliehenen Gegenständen aus; hier hilft nur ein Blick in die Versicherungsbedingungen.
Wir haben uns beispielhaft die AGBs von drei großen Anbietern verglichen: Call a Bike, Donkey Republic, und Nextbike (auch bekannt unter den Marken WK-Bike, metropolradruhr, MOBIbike, Frelo, Sprottenflotte, KVB Rad, VAG Rad). “Haftpflichtschäden hat der Kunde eigenverantwortlich abzusichern”, schreibt etwa Nextbike in den AGBs. Donkey Republic hat ebenfalls keine Haftpflichtversicherung abgeschlossen.
Positive Ausnahme ist Call a Bike, das Angebot der Deutschen Bahn: Hier ist der Kunde während der Fahrrad-Nutzung über den Anbieter haftpflichtversichert. Der Selbstkostenbeitrag bei Schäden am Mietrad ist bei den Anbietern gedeckelt, so fordert Nextbike maximal 75 € und Call a Bike maximal 80 €.
Fazit: Mit Privathaftpflicht im Gepäck lässt es sich sorgenfreier strampeln.
Möchten Sie als Leihfahrrad-Kunde flexibel bleiben bei der Anbieterwahl, sollten Sie eine Privathaftpflichtversicherung abschließen, um sich vor Unfallkosten zu schützen. Auch wenn manche Haftpflichtversicherungen im Kleingedruckten die Schäden am eigenen Leihfahrrad ausschließen, so übernehmen sie doch den Löwenanteil des Risikos, nämlich Schäden an anderen Personen oder fremden Gegenständen.
Ausnahmen: Wann die Versicherung nicht zahlt
Egal ob Pflichtversicherung oder freiwillige Privathaftpflicht: Die Versicherung muss bei Unfällen nicht in jedem Fall die Kosten übernehmen. Verstößt der Kunde gegen die Versicherungsbedingungen und handelt grob fahrlässig, kann die Haftpflichtversicherung Regressansprüche bis zu mehreren Tausend Euro geltend machen.
Häufigster Grund ist Alkoholeinfluss: Auf dem E-Scooter und E-Mofa gelten die gleichen Promillegrenzen wie beim Autofahren. Das heißt für Fahranfänger in der Probezeit und Personen bis 21 Jahre ein absolutes Alkoholverbot. Darüber hinaus gilt eine Promillegrenze von 0,5.
Für Fahrradfahrer liegen die Promillegrenzen etwas höher, doch kann bei auffälliger Fahrweise auch bei niedrigeren Werten eine Strafanzeige und eine Regressforderung der Versicherung drohen. Alkohol am Lenker ist also selbst mit Versicherung bei keinem Fahrzeug eine gute Idee!
Weitere Beispiele für grobe Fahrlässigkeit aus Sicht der Versicherungen sind Tippen auf dem Handy oder Fahren mit Kopfhörer.
Die Mitnahme einer zweiten Person ist für E-Scooter und Leihfahrräder meistens ebenfalls verboten; ledigliche manche E-Mofa Anbieter lassen das explizit zu und schließen Mitfahrer in den Versicherungsschutz ein.